What passion cannot music raise and quell!“

John Dryden  (1631-1700)     

                      

 

Die Beschäftigung mit Alter Musik zusammen mit meiner Neugier in Bezug auf technische Entwicklungen und Fortschritt seit der Erfindung des Rades führten mich schnell zu der Frage, wie Musik wohl vor 300, 500 oder doch vor 800 Jahren tatsächlich geklungen haben mag. Durch mein Studium und eine intensive Beschäftigung mit Quellen, Originalnotenmaterial und authentischen Instrumenten bzw. deren Kopien ist es mir möglich, dieser Fragestellung immer wieder aufs Neue nachzugehen.

 

Hörbeispiele...

 

                                                                              

                                                                                          ...und einige Gedanken zur Thematik:



Fachleute sagen: Gut, dass die Bezeichnung „Alte Musik“ heutzutage, bereits in sich streng kategorisierend, sich als solche etabliert hat und quasi wieder abgetrennt wurde von der Begrifflichkeit „Klassische Musik“. Letztere Gattung ist eigentlich, spricht man im Zweifelsfall nicht gerade von der musikgeschichtlichen Epoche der Klassik, mehr ein Schmelztiegel, eine höchst oberflächliche Zusammenfassung so vieler Besonderheiten der Musikgeschichte, so vieler Entwicklungsstränge und Gedankengebilde der (europäischen?) Menschheit in Abgrenzung zu – ja zu was denn nun genau? Der Popmusik wie wir sie heute tagtäglich im Radio hören? Zur „seichten Musik“ im Unterschied zur „Kunstmusik“, wie sie die Romantiker (welch passender und wieder mehrdeutiger Ausdruck gerade in diesem Zusammenhang!) schon in einer früheren Epoche versucht haben zu definieren? Oder doch von den manchmal allzu bizarr erscheinenden Klängen „moderner Musik“, die die Menschen der heutigen Zeit nicht selten an die Grenzen ihrer Aufnahme- und Toleranzfähigkeit zu bringen scheint? Da schließt sich aber gleich noch eine weitere grundlegende Frage an: Was genau ist denn nun „alte“ Musik? Ich persönlich bevorzuge hier die englische Bezeichnung „Early Music“, denn: nichts für ungut, aber so manchem fortschrittlich-globalisiertem Menschen mag bereits die Musik der Beatles einfach nur „alt“ erscheinen, die 60er Jahre sind nun doch auch schon eine geraume Weile vorbei, die Welt dreht sich weiter, der Musikmarkt (welcher auch immer) boomt. Kenner werden nun an dieser Stelle aufmerken und feststellen, wie zeitlos doch gerade die Musik dieser britischen Rockband mit Liedern wie „All you need is love“ und „Let it be“ ist und auch heute noch direkt ins Herz der Gesellschaft trifft. Interessant ist hier, dass sich die musikalisch verarbeiteten Themen -grob rudimentär zusammengefasst zu Glaube-Liebe-Hoffnung und allen damit verbundenen Grauzonen- seit hunderten von Jahren nicht wirklich verändert zu haben scheinen. Warum also nicht die Musik früherer Zeiten erkunden und wieder erleben, was Bach meinte und fühlte, als er seinen Actus Tragicus komponierte? Oder als Jacopo Peri in Florenz die Oper erfand? Warum nicht eintauchen in die Welt eines John Dowland, als er die Katharsis in seiner und durch seine Musik suchte? Quasi eine Zeitreise durch den Facettenreichtum eines bunt durchmischten Europas – zur Zeit, als es noch einen Papst in Avignon gab oder als Ludwig XIV. in Versaille rauschende Feste feierte. In meinem Fall hat alldies folgende Bedeutung: Natürlich kann man beispielsweise, geht man allein vom Notenmaterial aus, auch mit einer modernen Querflöte englische Basstänze spielen, wie sie zur Zeit Händels in Mode waren. Aber vielleicht ist dieses Instrument in seiner Ausgewogenheit bereits zu perfekt, um den Feinheiten solcher Musik, den facettenreichen Farben, die ein noch lange nicht ausgereiftes Instrument wie die früh- bis hochbarocke Traversflöte sie mit sich brachte, zu genügen. Und vielleicht ist gerade eine Technik wie das (Flöten-)Vibrato, wie es aus dem modernen Orchesterklang nicht mehr wegzudenken ist, doch nicht passend, möchte man zum Beispiel Mozarts Flötenkonzerte „im Originalklang“ wiederaufführen. Warum? Einfach, weil die zu Mozarts Zeit gängige Querflöte mit ihren 8 Klappen so gut wie keine Anwendung von Vibrato zuließ, ohne den Klang zu zerstören. Vielleicht. Summa summarum ist dies alles aus heutiger Sicht betrachtet mehr oder weniger eine Frage des Geschmacks. Und der Bereitschaft, sich darauf einzulassen, in eine andere, dem „modernen Ohr“ etwas weniger vertraute Klangwelt einzutauchen.

In diesem Sinne: Mein Dank geht an eine gewisse britische Rockband und an Johann Sebastian Bach, die mir die Ohren und (noch viel wichtiger!) das Herz, geöffnet haben.